Vorwort
Friedolin – Die kleine blaue Raupe mit dem gelben Rucksack
Jeder trägt seinen Rucksack
TiTom und Barbara, eine ungesunde Beziehung
Alte Bindungen lösen – Nichtraucher
ENZO – Der kleine Elefant, der ganz dünn sein wollte
Magersucht, Bulimie und der Wahn der Diäten
Der Bauer und sein Stier – den er hasste und quälte
Anabolika, Fitnesswahn und Bodybuilding ohne Limit
Und plötzlich schmeckten die Bonbons nicht mehr
Wie die Sexsucht sich in Nichts auflöste
Wie der blaue Ballon Felix das Fliegen erlernte
Ängste und Panikattacken
Die magischen Klänge der besonderen Frauen
Spielsucht und keine Hilfe in Sicht – das Casino ruft
Der Polizist Samuel, der die verbotenen Kirschen des Nachbarn stahl
Verführung, Versuchung und die kraftraubenden Affären
Noah und sein schwerer Freund Jack
Alkohol als bester Freund
Hase Silbermond und der Hamster Hallowach
Schlafstörungen
Achim und der Parasit Walter
Erkenntnis des Schmerzes
Der Autor
Es liegt
eine ruhige Spätsommerstimmung über dem verträumten südenglischen Hafen. Sie
wird durch den Lärm eines herannahenden Autos unterbrochen.
Es biegt um die Hafenmole, steuert zügig auf die Zufahrtsrampe der Fähre
zu, schießt über die Rampe hinaus und klatscht ins Wasser.
Die Fähre
war bereits vor 20 Minuten abgefahren. Die
Insassen des Wagens, ein älteres Ehepaar, können zum Glück gerettet werden. Sie
geben der Polizei zu Protokoll, sie hätten einfach nur die Anweisungen
ihres Navis blind befolgt und seien deshalb über die Rampe gefahren.
Diese Geschichte bewirkt in der Regel eine Mischung aus ungläubigem Staunen über so viel blindgläubige Hörigkeit und Schadenfreude. Doch dabei sollten wir vorsichtig sein, denn wir alle verfügen über ein körpereigenes Navi. Es ist weit über 100.000 Jahre alt und hat sich bis auf den heutigen Tag kaum verändert. Wir haben es gemeinsam mit allen anderen Säugetieren – Hunden, Katzen und sogar Elefanten. Es hatte über all die Jahre vor allem eine Aufgabe: uns ohne Umwege und effizient den Weg zur Beute zu weisen.
Wir nennen
diese Navigationshilfe heutzutage Belohnungssystem. Es ist ein Teil
unseres Gehirns, angesiedelt in dessen limbischen Strukturen, dient der neuronalen
Kommunikation und wird dabei durch eine Vielzahl von
Neurotransmittern gesteuert. Ursprünglich war es dazu gedacht, uns zielsicher
und ohne Verstand den Weg zu unseren Nahrungsquellen finden zu lassen,
doch mittlerweile müssen wir erkennen, dass wir mit unserem heutigen
Entwicklungsstand leider häufig fehlgeleitet werden. So hält unser Navi
das Zocken mit Aktien oder Glücksspiel,
die Eroberung möglichst
vieler Geschlechtspartner, den Missbrauch von Suchtmitteln jeglicher
Art und sogar den uneingeschränkten Drang, ständig zu arbeiten, für
erstrebenswerte Beute. Schnell
wird daraus eine Passion, später eine Sucht
und für viele schließlich ein furchtbarer Albtraum, der Leben zerstören
kann.
Patric Johann Bernardi zeigt auf liebevolle Weise die vielen Verirrungen unserer Seele. In seinen Geschichten werden jedoch nicht nur unsere Irrtümer und Wirrungen inszeniert. Seine Figuren, häufig sind es Tiere, machen uns auch Hoffnung. Die Geschichten zu lesen ist ein wirklicher Genuss – und Genuss ist ja schließlich einer der vielen Schlüssel, die uns einen Weg aus dem Hamsterrad der Sucht weisen können.
Wir müssen eben doch nicht blindlings über die Rampe fahren.
Feineis Bernhard
Diplom Psychologe
Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen (ZfA)
Ambulatorium Münchenstein
TiTom war gerade mit Barbara zusammen, als die
Pausenglocke erklang. Schnell verabschiedete er sich. Er musste pünktlich
wieder am Arbeitsplatz sein, denn der Chef mochte es gar nicht, wenn man die
Pause zu sehr auskostete. TiTom und Barbara wussten, dass Sie sich
bei der nächsten Gelegenheit wieder treffen würden. Ein warmer Luftzug wehte durch die Büroräume und die
Ventilatoren ratterten unaufhörlich gegen die schwüle Hitze an. Eine Klimaanlage
wäre sicher angenehmer gewesen, denn die alte Anlage wirbelte
einfach nur die aufgeheizte Luft herum.
TiTom konnte es normalerweise kaum erwarten, bis es Feierabend wurde, damit er sich wieder mit Barbara treffen konnte. Sie schaffte es immer wieder, Ruhe und Gelassenheit zu verströmen. Ohne Barbara fühlte sich TiTom alleine und hilflos. Doch an diesem Tag merkte er, dass er keine richtige Vorfreude fühlte, wenn er an sie dachte. Beim Gedanken an sie überkam ihn ein flaues Gefühl.
TiTom war ein sehr attraktiver Mann, Mitte 30, mit
halblangen Haaren und hellen blauen Augen. Er trug oft einen Dreitagebart,
damit er sich nicht so häufig rasieren musste. Seine Freunde schätzen
TiTom sehr, vor allem galt er als loyal, witzig und ehrlich. Auch als
Kumpel konnte man mit ihm so einige verrückte Sachen machen. Er war immer
für einen Spaß zu haben.
Barbara war eine sehr, sehr enge Freundin von TiTom. Sie war ziemlich dünn, meistens weiß gekleidet und roch recht unangenehm. Wenn sie noch frisch war, umhüllte sie ein erdiger und etwas modriger, holziger Geruch, doch wenn sie heiß war, und das war sie meistens, dann roch sie schrecklich. Ihr Geruch war ätzend und wenn er den Leuten in die Nase stieg, raubte er ihnen die Luft zum Atmen. Barbara hinterließ überall, wo sie auftauchte, einen üblen Gestank, so stark, dass er sich in
den Kleidern der Leute festbiss. Barbara genoss die Freundschaften vieler Männer und
Frauen. Ihr Umfeld war riesig, doch sie war längst nicht mehr so beliebt wie
vor vielen Jahren.
Im Gegenteil, immer mehr Menschen wollten nichts mehr mit ihr zu tun haben. Sie verlor zusehends an Attraktivität und Anziehungskraft. Vor allem wusste man mittlerweile, dass sie die Menschen krank machte.
Barbara war sehr intelligent, hinterhältig und hatte eine fiese Masche drauf: Sie nutzte ihre Fähigkeit, Menschen zu manipulieren, wo immer sie hinkam. Es gelang ihr oft durch die Hintertür Freundschaften, vor allem mit jungen Leuten, zu schließen. Viele hatten sie immer mit dabei und so wurde sie dann auch anderen vorgestellt.
Nach ein bis zwei Kontakten mit Barbara entstand meistens eine neue Freundschaft. Sie schaffte es, die neuen Freunde geschickt für sich zu gewinnen. Ihre Art war sehr abstoßend, doch es gelang ihr sehr leicht, bei den Menschen zu punkten. Nach nur wenigen Kontakten mit ihr wollte man nicht mehr auf sie verzichten.
TiTom hatte Barbara vor 25 Jahren kennengelernt. Anfangs
fand er sie schrecklich, doch irgendwie hatte sie es auch bei ihm
geschafft, ihn als treuen Freund zu gewinnen. So führten sie eine
jahrelange, intensive Beziehung. TiTom war abhängig von Barbara. Dies schien ihn
anfänglich nicht zu stören, doch mittlerweile ekelte Barbara ihn an. Nach
jedem Treffen hatte er starken Mundgeruch und empfand sie zunehmend abstoßend
und zu dominant. Zudem wurde sie von Jahr zu Jahr teurer. Das
Vergnügen mit ihr kostete mittlerweile richtig viel Geld.
Sie war wie ein Schatten, anhänglich und doch häufig
unsichtbar. Barbara mochte es gar nicht, wenn man nicht an sie dachte. Sie
liebte es, in den Köpfen der Menschen präsent zu sein. Eigentlich tat sie nichts für die Beziehung zu TiTom. Sie
lag nur rum und sprach nicht. Umso erstaunlicher war es, dass sie von
null auf hundert so heiß werden konnte. Dann wiederum tat sie alles, was sie
konnte, und schaffte es, TiTom zu beruhigen und ihm ein Gefühl der
kurzen, intensiven Entspannung zu geben.
TiTom spürte, dass ihm die Beziehung nicht guttat, darum wollte er mit Barbara Schluss machen. Das Zusammensein mit ihr empfand er mittlerweile als ungesund. Nach jedem Treffen fühlte er sich ausgelaugt, schwindelig, ja sogar etwas krank. Doch das war Barbara egal, sie kannte kein Pardon. Sie wollte einfach möglichst oft mit TiTom zusammen sein. Am besten von morgens bis abends, zum Frühstück, in den Pausen oder bei der Arbeit. Sie wollte ihn überall hinbegleiten. Egal wohin TiTom auch ging – Barbara war mit dabei.
Das nervte ihn sehr und auch seine Freunde beklagten sich über die ständige Anwesenheit von Barbara. Er fühlte sich von ihr eingeengt und auch sein Herz schlug häufiger sehr
unruhig, wenn er mit ihr zusammen war. Es erschien ihm so, als ob sein Herz ihm mitteilen wollte, dass Barbara nicht die richtige Begleiterin für ihn sei.
Das war ihm während der letzten Jahre nie so richtig aufgefallen. Die körperlichen Warnsignale ignorierte er schon lange, doch sie wurden immer stärker. Der Wunsch, mit ihr Schluss zu machen, wurde zunehmend dringender. Er wusste nur noch nicht, wie er es schaffen sollte, sich von Barbara zu trennen. So viele intensive Jahre hatte er mit ihr verbracht und sie war jederzeit für ihn da gewesen.
TiTom war verzweifelt und fragte sich, was ihn wohl an dieser stinkenden, dürren Barbara hielt. Sie war die einzige Freundin, die mehrmals am Tag nach ihm rief und nach ihm verlangte. Obwohl Barbara kein Wort sprach, fühlte er sich zu ihr hingezogen.
Es schien ihm oft so, als ob in seinem Kopf eine Stimme von Barbara lebte. Sie sagte: »Ich vermisse dich, bitte komm zu mir.« Dieser innere Ruf wurde lauter und lauter, bis er endlich wieder mit ihr zusammen war. Die daraufhin folgende Ruhe und Entspannung schienen ihm unentbehrlich…………….